Neujahrsempfang 2023

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Beitrag vom Montag, 09. Januar 2023

Ulrichs: Kein Anlass für Pessimismus

Mit dem 50. Neujahrsempfang hat die Stadt Norderney nach einer zweijährigen Pause ihre Tradition nicht nur wiederaufleben lassen, sondern einen feierlichen Neubeginn nach der Coronapandemie gesetzt. Bei guter Laune wurden einander Hände geschüttelt und Gespräche genossen. Rund 400 Insulaner kamen in das Conversationshaus, um die Rede von Bürgermeister Frank Ulrichs zu hören, die er am Ende mit den Worten kommentierte: „Ich nehme mir inzwischen gar nicht mehr vor, meine Ansprachen kürzer abzufassen, dann brauche ich mich nachher auch nicht zu rechtfertigen. Die letzten Jahre waren tatsächlich auch nicht kürzer, sondern gehörten zu den arbeitsintensivsten meiner Amtszeit.“

Eine Dreiviertelstunde nahm sich Ulrichs Zeit für seine Rede, in der er die letzten Jahre Revue passieren ließ, die mit immer neuen Herausforderungen aufwarteten, darunter die Coronapandemie, der Beginn des nun schon beinahe ein Jahr andauernden Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die damit einhergehende Inflation. Er zählte aber auch die kommenden Aufgaben auf, an denen die Insel zu arbeiten haben wird, was abwechselnd mit Kopfnicken und Applaus begleitet wurde.

Der Bürgermeister fasste vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen zusammen: „Es geht uns in Deutschland trotz aller wirtschaftlichen Einbrüche und düsteren Prognosen noch relativ gut.“

In der Frage der Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine erreichen viele Städte und Gemeinden inzwischen ihre Kapazitätsgrenzen, „dennoch sind wir uns alle einig, dass diesen Menschen geholfen werden muss“, so der Bürgermeister. Bis zum März wird der Landkreis Aurich mit seinen Gemeinden 2.000 Menschen aufnehmen, die sich derzeit auf der Flucht befinden, berichtete er, „so dass auch unsere Insel erstmals seit fast drei Jahrzehnten grundsätzlich wieder im Fokus für eine notwendige Unterbringung von bis zu 100 zusätzlichen Personen steht“. Unter den inselspezifischen Bedingungen ist dies „zweifellos keine leichte Aufgabe“, räumte Ulrichs ein, sendete aber eine klare Botschaft: „Wir stehen auf alle Fälle parat.“

Der Bürgermeister lobte in diesem Zusammenhang die breite Unterstützung der Inselbevölkerung durch Hilfsinitiativen, Spendensammlungen und der Wohnungsnot zum Trotz sogar auch Wohnraumangeboten. Einen besonderen Dank richtete er an die Ukrainehilfe für ihr großes und ehrenwertes Engagement. „Trotz dieses doch eher verhaltenen Nachrichtenüberblicks jenseits unserer Inselgrenzen, der gleichwohl die hohe dynamische weltpolitische Lage dieser Tage und damit die auch unser aller Leben beeinflussenden Faktoren widerspiegelt, unterliegt das Inseldasein aus der Erfahrung heraus immer noch sehr eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Für pauschalen, hoffnungslosen Pessimismus besteht zumindest kein begründeter Anlass“, so Ulrichs. Ungeachtet aller Widrigkeiten habe sich die Insel in den letzten Jahren behutsam weiterentwickelt und es wurden infrastrukturelle Maßnahmen, sowohl öffentliche als auch private, auf den Weg gebracht, erläuterte der Bürgermeister und kommentierte: „Ich darf mit Blick auf die vergangenen Jahre immerhin halbwegs beruhigt feststellen, dass auf unserem Eiland, bemessen an seiner Wirtschaftskraft, den sich langsam wieder stabilisierenden Übernachtungszahlen und der von der Brücke des Rathauses aus wahrnehmbaren Eindrücken bislang kaum jemand so wirklich auf der Strecke geblieben ist. Wir sind jedenfalls bis heute im Großen und Ganzen mit einem blauen Auge davongekommen, was allerdings nicht heißt, dass wir immer so weitermachen könnten, als wäre nichts gewesen.“ Eine Feststellung, die viele Zuschauer mit einem Kopfnicken erwiderten. Ein grundsätzliches Umdenken ist nach seiner Ansicht gefordert: „Ohne systemisch krank zu werden.“ Denn der auch auf der Insel nicht enden wollenden, zwangsweisen Personalentzug bringe viele Betriebe an ihre Grenzen, so dass Schließungen und die Reduzierung von Öffnungszeiten und Serviceangeboten notwendig werden. Der Bürgermeister appellierte in diesem Zusammenhang an die Bürger der Insel: „Wir sind gehalten, viele Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten kritisch zu hinterfragen und dort, wo wir es können, unseren Beitrag zu leisten, um zukünftig krisenfester zu werden und um auf die sich ändernde Großwetterlage angemessen zu reagieren.“ Dies erfordere auch ein schnelles energiepolitisches Handeln; seine eigenen Überzeugungen und Feststellungen dabei über Bord zu werfen und das Gasförderprojekt von One Dyas zu befürworten, dass große Risiken für das schützenswerte Ökosystem Wattenmeer berge, nannte Ulrichs „weder nachvollziehbar noch akzeptabel“. Es bedeute aber: „Norderney muss sich für die Zukunft in Fragen der Energiewende entschlossen aufstellen und alle Potenziale ausschöpfen, die sich der Insel im Bereich der regenerativen Energie bieten“, so der Bürgermeister und appellierte: „Diesen Zug dürfen wir nicht verschlafen, wenngleich der uns umgebene und grundsätzlich geschätzte Naturraum die Möglichkeiten stark einschränkt. Die Stadt werde deshalb gemeinsam mit den Stadtwerken in den kommenden Monaten die energetischen Möglichkeiten untersuchen und „baldmöglichst ein Energie- und Wärmekonzept für die Insel aufstellen.“

Trotz aller Widrigkeiten konnte die Stadt Norderney viele Projekte abschließen und unter ihrer Beteiligung für Lösungen sorgen. So zählte Ulrichs unter anderem die finanzielle und personelle Schieflage des Altenheimes, die Fertigstellung der Thalassoplattform am Postweg, die Unterstützung einer Frauenarztpraxis und die Neugestaltung des Schulhofs der Kooperativen Gesamtschule und vieles mehr auf. Viele Themen stehen aber auch auf der To-Do-Liste, wie der Umbau des Watt-Welten-Besucherzentrums oder das Inselkrankenhaus, in dem aktuell mit externer Unterstützung nach Optionen für eine langfristige gesellschaftsrechtliche und auch finanzielle Sicherung gesucht wird.

Bürgermeister Frank Ulrichs: Es wird nicht langweilig


„Peu á peu“ entwickle sich Norderney nach vorne. Und so wichtig wie eine gute materielle, ist aber mindestens auch eine auskömmliche soziale Daseinsvorsorge, betonte Bürgermeister Frank Ulrichs in seiner diesjährigen Neujahrsansprache und erklärte: „Es wird jetzt unsere Aufgabe sein, wachsam zu bleiben, über den Tellerrand zu blicken, die großen Entwicklungen im Blick zu behalten und uns im Kleinen darauf einzustellen.“ Die kommenden Monate werden nicht langweilig, prophezeite er, die Norderneyer hätten jedoch „die besten Voraussetzungen, sowohl gesellschaftlich, materiell als auch ideell, um optimistisch zu bleiben.

Viele hatten an diesen Voraussetzungen Anteil, dankte Ulrichs den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Norderney, der Technischen Dienste, ihrer weiteren Betriebe sowie den Mitgliedern des Stadtrates für die geleistete Arbeit und ihr Engagement. Der Bürgermeister sprach zudem ebenso dem Geschäftsführer der Staatsbadgesellschaft Wilhelm Loth und dem Geschäftsführer der Norderneyer Stadtwerke Holger Schönemann und deren Belegschaften seinen Dank aus. Beide Gesellschaften definierte er als wichtige Eckpfeiler, die mit in den letzten Jahren wertvollen Beiträgen und innovativen Ideen zur Zukunftsfähigkeit Norderneys beigetragen haben.

Die Stadtwerke beschrieb Ulrichs auch in der Energiekrise als einen bewährten, zuverlässigen und vor allem kommunikativen Versorger: „Eigene Stadtwerke sind nicht nur in diesen Zeiten besonders wertvoll und wichtig für eine Kommune.“ Zur Sicherheit trage aber auch die Freiwillige Feuerwehr bei, der Ulrichs ausdrücklich dankte. Sie erhielte in diesem Jahr eine neue Drehleiter-, ein Tanklösch- sowie ein Mehrzweckfahrzeug für insgesamt über 1,4 Millionen Euro. Zudem besitzt nun die Jugendfeuerwehr ein eigenes Fahrzeug, das ausschließlich aus Spenden und Zuwendungen der Bevölkerung bezahlt wurde. Viele Maßnahmen sind bereits abgeschlossen, dazu gehören auch die Arbeiten an der Thalasso-Pattform, an den Schutzdünen sowie am Deckwerk. Auch die Kindertagesstätte Kükennest ist in die Trägerschaft des evangelischen Kreiskirchenamtes erfolgreich übergegangen. Damit ist die Zukunft dieser Kindertagesstätte gesichert. Ebenso konnte in der Diskussion um die Zukunft der Trägerschaft der Kindertagesstätten im Landkreis Aurich eine Einigung mit dem Landkreis erzielt werden, so Ulrichs: „Wir bleiben als Kommunen Aufgabenträger, die Einrichtungen werden qualitativ nach vorne entwickelt und der Landkreis wird sich sukzessive an der Hälfte der ungedeckten Betriebskosten beteiligen.“

Zudem konnte mit der Schulhofneugestaltung an der KGS nach einer fünfjährigen Umsetzungsphase das letzte von elf Teilprojekten erfolgreich abgeschlossen werden. Im Frühjahr konnten auch zwei neue Wohnhäuser unserer Wohnungsgesellschaft mit insgesamt 32 neuen Wohnungen bezogen werden.
Der Bürgermeister freute sich zudem über den Übergang der Mühle „Selden Rüst“ in die städtische Hand, erklärte aber, dass eine Folgenutzung in diesem Jahr noch nicht realisiert werden kann und sich die Stadt zunächst über eine Zwischenlösung Gedanken machen wird.

Als eine „Zangengeburt“ beschrieb Ulrichs den Vertragsabschluss für den Hotelbau auf dem Weststrandstraßengrundstück, denn von der gemeinsamen Einigung um die Modalitäten bis zur Unterschrift verging noch ein knappes Dreivierteljahr, durch die Bestrebungen der Bürgerinitiative „Kieken wi mol“ ein Bürgerbegehren zu erwirken. Nun sei der Weg frei für die Bauleitplanung, die Bauantragstellung und schließlich den Baubeginn und so hoffe er nun auf eine baldige öffentliche Vorstellung des Bauvorhabens durch die Projektierer.

Das Bauvorhaben am Theaterplatz wurde hingegen vorläufig vertagt. Ein Entschluss, der aus Gründen der Risikominimierung nach Ulrichs Ansicht richtig war, er mahnte jedoch: „Wir dürfen jetzt nur nicht Gefahr laufen, die Hände in den Schoß zu legen und dem augenscheinlich neuen Feuchtbiotop in der Entwicklung zuzuschauen. Das Gelände kann so auf Dauer nicht brach liegen bleiben.“
Gut voran gehe es mit der Umsetzung des Förderprojektes „Mühlenallee“. Daran anschließen werde sich die Umwandlung der Kreuzung zur Jann-Berghaus-Straße.

Dort soll der erste Norderneyer Kreisverkehr entstehen, so Ulrichs. Im Herbst werde zudem ein Generationenpark für Jung und Alt hinter dem Altenheim entstehen. Außerdem soll das Areal rund um die Napoleonschanze zeitgemäß entwickelt werden, kündigte er an.

Nachdem nun der neue Fahrradunterstand am Hafen fertiggestellt ist, befinden sich die derzeitigen Um- und Ausbaumaßnahmen zur Ausstellungserweiterung des Besucherzentrums Watt Welten im Endspurt.
An einer stabilen Zukunftsperspektive für das Krankenhaus werde zudem mit externer Unterstützung gearbeitet.
Auch der Seniorenresidenz To Huus bedurfte wieder einmal der erhöhten Aufmerksamkeit, nachdem die Einrichtung im letzten Jahr aus dem Ruder geraten war durch Kündigungswellen, Aufnahmestopps und Pflegekräftenotstand. „Die Stadt ist auch dieses Mal wieder finanziell behilflich, dass das To Huus den Kopf über Wasser behält“, so Ulrichs.

Der Stadtrat hat hingegen in der Frage Zuckerpad in den kommenden Wochen noch eine harte Nuss zu knacken, sagte Ulrichs vorher, denn laut einer Zählung ignorieren weit über eintausend Fahrradfahrer pro Tag die Verbotsschilder auf dem Fußweg. Ulrichs: „Wir müssen uns der Problematik annehmen und womöglich die eine oder andere Kröte schlucken, wobei ich hoffe, dass da kein Qua(r)k bei herauskommt.“ Ohnehin stehen wichtige Entscheidungen zur künftigen Verkehrsstruktur und damit auch zur Gestaltung unseres Lebensraums an, erklärte der Bürgermeister und kommentierte: „so dass unseren politischen Entscheidungsträgern die Pflicht, aber gleichermaßen auch die Chance zukommt, die Weichen zum Wohle der Insel neu zu stellen und vielleicht auch alte Zöpfe gänzlich abzuschneiden.

Und auch im Rathaus wird es in diesem Jahr noch Bewegung geben, denn für bis zu zehn städtische Mitarbeiter sollen Arbeitsplätze in der Wetterwarte am Nordstrand entstehen, kündigte der Bürgermeister an. Und schlussendlich forderte der Bürgermeister eine höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Wohnbebauung auf dem ehemaligen Campingplatz Waldweg und betonte: „Wir brauchen dringend zusätzlichen Wohnraum und das Bauen wird in den nächsten Jahren nicht preiswerter.“