Beitrag vom Donnerstag, 25. Januar 2024
Operation am offenen Herzen
Auf der Übersichtstafel im Kontrollraum der Kläranlage blinken alle Lämpchen rot, der Bildschirm auf dem Rechner ist grau. „Da ist alles tot, es funktioniert nichts mehr“, sagt Hausherr Henk-Enno Giebel – und grinst.
Tatsächlich ist das genau, wie es sein muss, denn seit zwei Wochen erhält das Klärwerk eine komplett neue Steuerungsanlage. „Das ist eine Operation am offenen Herzen und das im laufenden Betrieb“, erläutert Giebel die Bedeutung der Maßnahme, die ursprünglich schon für den letzten Winter geplant war. Weil jedoch wichtige Teile erst im Sommer 2023 geliefert wurden, hatte Giebels Team gemeinsam mit den Technischen Diensten der Stadt ein weiteres Jahr an Planungs- und Vorbereitungszeit zur Verfügung. Der Winter als Zeitpunkt für die Umstellung wurde bewusst gewählt, weil die Belastung für die Anlage dann am geringsten ist. So seien derzeit laut Berechnungen aus den Abwasserwerten rund zehntausend Menschen auf der Insel. Momentan ist nur ein Belebungsbecken und das große Nachklingbecken in Betrieb.
„Und dann kam irgendwann der Tag X, wo wir gesagt haben, jetzt müssen wir abschalten“, berichtet Giebel. Nach und nach wurden erst einzelne Geräte und schließlich die gesamte Anlage aus dem System genommen.
Die 13 alten Schaltschränke und ihr elektronisches Innenleben sind nun abmontiert, die gesamte Anlage wird aktuell über ein Provisorium auf einer rund drei Quadratmeter großen Holzplatte am Leben gehalten. Darauf sind Schalter installiert, mit denen die Mitarbeiter Aggregate ein- und ausschalten können. Ein Gebläse läuft noch im Automatikmodus, aber nur im Zeitprogramm und nicht wie sonst in Abhängigkeit von Messwerten wie Nitrat, Nitrit, Ammonium oder Sauerstoff, erläutert Giebel. Zwar können die Mitarbeiter immer noch Messungen durchführen, die gesamte Steuerung der Anlage müssen sie nun jedoch selbst übernehmen, Pumpen manuell ein- und ausschalten, Messwerte mit Stift und Papier in einer Tabelle notieren und mehr Zeit im Labor verbringen, um Proben auszuwerten. Auch die Dosierung für Stoffe, die dem Abwasser zugesetzt werden müssen, bestimmen die Fachleute nun selbst.
Folglich muss sich das Team umso mehr auf das eigene Handwerk verlassen und akzeptieren, dass trotz Warnlampen oder Fehlermeldungen entgegen der eigenen Intuition alles in Ordnung ist. „Das ist ein ganz komisches Gefühl“, verrät Giebel: „Du schaust auf den Bildschirm und siehst nur noch grau. Normalerweise kannst du dir die Messwerte angucken und die Kurvenverläufe, du siehst die Zulaufwerte, die Ablaufwerte und die Mengen, die durch die Anlage durchgehen. Jetzt kriegen wir morgens nach 24 Stunden einen Zulaufwert und das war´s.“
Damit alles reibungslos ablaufen kann, stehen die Verantwortlichen im engen Kontakt. Die neue Steuerung, die an die Stelle der 13 Schränke treten wird, steht bereits auf dem Gelände bereit und wartet auf ihren Einsatz. Bis Mitte Februar soll sie durch das Norder Unternehmen „Automation und Elektrotechnik“ aufgebaut und angeschlossen sein. Dann muss noch geprüft werden, ob die Steuerung und alles, was daran angeschlossen wird, auch funktioniert, sodass es voraussichtlich bis ins Frühjahr hinein dauern wird, bis die Umstellung abgeschlossen ist.
Verfasst von Dorothee Linke
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