Kommunalaufsicht zur Zweckentfremdungssatzung: Neufassung ist rechtswidrig

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Beitrag vom Donnerstag, 08. Mai 2025

Kommunalaufsicht zur Zweckentfremdungssatzung:Neufassung ist rechtswidrig

Nach monatelangem Ringen um eine neue Zweckentfremdungssatzung hatte der Norderneyer Stadtrat im Dezember 2024 mit knapper Mehrheit einer Beschlussvorlage der Freien Wähler (Fwn) seine Zustimmung gegeben. Schon damals sowie in einer vorangegangenen Sitzung des Bauausschusses hatte die Stadt Bedenken geäußert, dass diese Vorlage rechtswidrig und dadurch nicht anwendbar sein könnte (siehe unsere Ausgabe vom 6. Dezember 2024). Wie der Norderneyer Bürgermeister Frank Ulrichs schriftlich bekanntgab, hat die Kommunalaufsicht des Landkreises Aurich nun diese Auffassung bestätigt und dringend eine Aufhebung des Satzungsbeschlusses angeraten. Ansonsten „sei eine Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde unvermeidlich“, so Ulrichs.

Der Bürgermeister hatte im Januar die Kommunalaufsichtsbehörde selbst informiert, da er laut der niedersächsischen Gesetzgebung rechtlich dazu verpflichtet war, weil die Stadt den Ratsbeschluss als rechtswidrig eingeschätzt hatte.

„Insbesondere stieß die vorgesehene Regelung auf Kritik, wonach ungenehmigten Ferienwohnungen pauschaler Bestandsschutz eingeräumt werden sollte – eine Maßnahme, die gerade jene Objekte von der Satzung ausnimmt, die in besonderem Maße zur Verdrängung von Wohnraum beitragen“, erläutert Ulrichs.

Die rechtliche Stellungnahme des Landkreises bestätigt die Einschätzung der Stadt „in vollem Umfang“, so der Bürgermeister weiter: „Darin stellt die Kommunalaufsicht unmissverständlich fest, dass wesentliche Regelungen der vom Rat beschlossenen Satzung den gesetzlichen Rahmen überschreiten, dem gesetzgeberischen Zweck widersprechen und letztlich sogar dem angestrebten Schutz von Wohnraum entgegenwirken. Die Bewertung der Aufsichtsbehörde macht deutlich, dass zentrale Elemente der Satzung nicht mit geltendem Recht vereinbar sind, was die von der Stadtverwaltung frühzeitig geäußerten Bedenken eindeutig stützt.“

Fewos sind kein Dauerwohnraum

Nach Auffassung der Kommunalaufsicht fehle es der Satzung an einer tragfähigen rechtlichen Grundlage, so Ulrichs. Die selbst definierte Ausnahmeregelung für bestimmte Ferienwohnungen sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Stadt habe durch diese eigenmächtige Begriffsbildung ihre gesetzlich eingeräumte Satzungskompetenz überschritten. „Der Landkreis verweist dabei auf einschlägige Urteile, unter anderem des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg und des Verwaltungsgerichts Schleswig, die klar zwischen Dauerwohnen und Feriennutzung unterscheiden. Diese Differenzierung sei rechtlich zwingend und eine pauschale Gleichstellung beider Nutzungsarten durch eine kommunale Satzung daher nicht zulässig.

Wohnraumschutz untergraben

„Besonders gravierend ist aus Sicht der Kommunalaufsicht, dass die Satzung den Begriff des Wohnraums unzulässig einschränkt und dadurch den Anwendungsbereich der Satzung verkleinert, was letztlich zu einer weiteren Verknappung des Wohnraumbestands führt“, heißt es weiter: „Damit widerspricht sie dem grundlegenden Ziel einer Zweckentfremdungssatzung, nämlich den Wohnraum zu erhalten, spekulativen Leerstand zu verhindern und einer Umnutzung zu Ferienwohnungen entgegenzuwirken.“

Zudem weise die Kommunalaufsicht die in der Satzung enthaltene Behauptung zurück, es habe in der Vergangenheit eine generelle Gleichsetzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen durch den Landkreis stattgefunden. Eine solche Genehmigungspraxis habe es nachweislich nie gegeben. Der Versuch, aus einer angeblich langjährigen Verwaltungspraxis einen Bestandsschutz abzuleiten, sei unbegründet und unzulässig.

Kein pauschaler Bestandsschutz

„Ferienwohnungen genießen nur dann Bestandsschutz, wenn sie baurechtlich genehmigt wurden“, fasst Ulrichs weiter zusammen. Eine pauschale Regelung, wie sie die Satzung vorsieht, sei nicht zulässig. Die Prüfung obliege im Einzelfall der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, nicht der Stadt. Der in der Satzung erzeugte Eindruck, Ferienwohnungen seien automatisch rechtmäßig, könne einen irreführenden Rechtsschein erzeugen, „mit möglicherweise gravierenden Folgen.“
Ulrichs: „Rat muss Verantwortung übernehmen“

„Wer illegal errichtete oder ungenehmigte Ferienwohnungen im Nachhinein durch eine Satzung schützt, der riskiert, das Vertrauen in die kommunale Rechtsstaatlichkeit zu untergraben“, kommentiert Ulrichs das Ergebnis: „Es ist nun Aufgabe des Rates, Verantwortung zu übernehmen und die Satzung zu korrigieren, bevor irreparabler Schaden entsteht, nicht zuletzt für alle Bürgerinnen und Bürger, die aktuell und langfristig bezahlbaren Wohnraum suchen.“ Dabei gehe es „ausdrücklich nicht darum, Ferienwohnungen pauschal gegen Dauerwohnungen auszuspielen oder berechtigte Einzelfälle und unbillige Härten zu ignorieren. Ein faires und nachvollziehbares Vorgehen mit Augenmaß wurde stets zugesichert. Im Kern jedoch muss es darum gehen, genehmigten Dauerwohnraum dauerhaft zu sichern und seiner Zweckentfremdung wirksam entgegenzuwirken.“

In der kommenden Woche soll sich der Bauausschuss in nichtöffentlicher Sitzung mit dem Thema befassen. Um die Satzung aufzuheben, wäre erneut ein Ratsbeschluss erforderlich. Eine Frist gibt es laut Ulrichs nicht: „Wir müssen uns jetzt die Zeit nehmen, um zu schauen, wie es weitergeht.“