Beitrag vom Donnerstag, 19. September 2024
„Gleiches Ziel, aber der Weg ist strittig“
Wie soll es mit der Zweckentfremdungssatzung ab dem 1. Dezember weitergehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Norderneyer Ratspolitik seit Monaten und so auch der städtische Bauausschuss. Auch wenn die in der über vier Stunden dauernden Sitzung verabschiedeten Empfehlungsbeschlüsse nur wenige Stunden später im Verwaltungsausschuss wieder einkassiert wurden, konnten sich die rund 60 anwesenden Bürgerinnen und Bürger doch ein umfassendes Bild davon machen, dass die Antwort auf die Frage ein gutes Verständnis baurechtlicher Zuständigkeiten erfordert sowie eine Antwort auf die Frage, wie Dauerwohnraum gesichert werden kann, ohne dass jahrzehntelange, aber nach aktuellem Baurecht nicht genehmigte Ferienwohnungsvermietungen um ihre Existenz fürchten müssen. Die endgültige Entscheidung über einen neuen Satzungsentwurf soll in einer für Mitte November angesetzten Ratssitzung getroffen werden.
„Wir sind uns in der Zielsetzung durchaus einig, nur der Weg ist strittig“, fasste es Bürgermeister Frank Ulrichs gegenüber dem Norderneyer Morgen zusammen: „Wir wollen die nächsten Wochen intensiv nutzen, uns in die Augen zu schauen und eine gute Lösung zu finden.“ Den Zuschauern ergab sich jedoch im Laufe der Debatte ein vollständig anderes Bild.
Das Gremium schien geteilt in zwei Fronten, die sich in den Abstimmungen wiederfanden: auf der einen Seite die Vertreter von SPD und Bündnis 90/die Grüne, die für die Vorlage der Stadt Norderney stimmten und auf der anderen Seite die Ausschussmitglieder von FWN, CDU und FDP, die gleich mehrere Anträge zu dem Tagesordnungspunkt eingereicht hatten. Sie sehen in der aktuellen Satzungsvorlage die jahrzehntelange Ferienwohnungsvermietung als gefährdet, weil viele Wohnungen, die teils seit Jahrzehnten an Feriengäste vermietet werden, aus verschiedenen Gründen zum heutigen Zeitpunkt keine baurechtliche Genehmigung besitzen. FWN, CDU und FDP stimmten daher für einen Vorschlag der FWN, auch ungenehmigte langjährige Ferienwohnungen in der Zweckentfremdungssatzung als rechtmäßig zu betrachten, da nach Auffassung von FWN-Ratsherr Hayo Moroni diese Ferienwohnungen schon jetzt Bestandsschutz genießen würden.
„Wenn es so wäre, dass diese langjährigen Ferienwohnungen Bestandsschutz genießen würden, dann wären sie ja rechtmäßig und dann hätten wir kein Problem“, konterte Frank Meemken aus dem städtischen Bauamt und bezweifelte, dass eine solche Satzung einer rechtlichen Prüfung standhalten würde. Trotzdem wurde dieser Vorschlag mit knapper Mehrheit angenommen.
Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der FDP, „sämtliche Zwangsmaßnahmen seitens der Stadt Norderney im Zusammenhang mit Nutzungsuntersagungen aufgrund von Bebauungsplänen, der Zweckentfremdungssatzung und Erhaltungssatzung“ vorübergehend zu unterlassen.
Sowohl Meemken als auch Bürgermeister Frank Ulrichs betonten im Laufe der Sitzung mehrmals, dass für die baurechtliche Genehmigung von Ferienwohnungen nicht die Stadt, sondern der Landkreis Aurich zuständig ist: „Für den können wir hier keine Beschlüsse fassen.“ Zudem gehe die Stadt nicht aus eigenem Antrieb gegen illegale Ferienwohnungen vor, sondern nur bei konkreten Anlässen.
Bauberatung möglich
So wurden laut Meemken in Bezug auf die Zweckentfremdungssatzung bisher 63 Verfahren eingeleitet, davon an 17 Norderneyer. 20 Verfahren wurden auf eine Anzeige hin eröffnet, 25 im Zusammenhang mit gestellten Bauanträgen. In sieben Fällen wurde die Genehmigung erteilt, sechs Fälle fielen unter die Härtefallregelung. Fünf Fälle wurden abgelehnt und 18 Ferienwohnungen in Dauerwohnraum zurückgeführt. Alle Vermieter, die derzeit nicht wissen, ob ihre Ferienwohnungen rechtmäßig ist, könnten jederzeit den eigenen Rechtsstatus überprüfen lassen, so Meemken weiter: „Ich kann nur raten: Nehmen Sie das Angebot einer Bauberatung wahr und wir versuchen, die bestmögliche Lösung gemeinsam mit dem Landkreis Aurich zu erarbeiten.“ Ziel sei der Erhalt von Wohnraum, nicht das Verbot von Ferienwohnungen.
Bürgermeister Ulrichs räumte im Rahmen der Sitzung jedoch auch ein, dass es in der Anwendung der Zweckentfremdungssatzung eine gewisse Lernkurve gegeben habe: „Wir haben festgestellt, wieviele heterogene rechtliche Sachverhalte wir auf der Insel haben aus verschiedenen Epochen der Genehmigungsgeschichte. Wir mussten auch einen Weg finden, damit umzugehen und da ist sicher hier und da mal verschärft draufgeschaut worden. Wir haben viel mitgenommen und eingeräumt, dass wir mit Härtefallregelungen in Zukunft anders umgehen werden und dass sicherlich die Hilfestellung und Lösungssuche im Vordergrund stehen wird, als zu versuchen, den Leuten das Leben schwer zu machen.“
Aufgebrachte Wortmeldungen
In der anschließenden Einwohnerfragestunde erinnerten die anwesenden Bürgerinnen und Bürger mit teils aufgebrachten, teils emotionalen Wortmeldungen daran, worum es ihnen in Bezug auf die Satzungsdebatte ging: um bezahlbare Mieten und ausreichend Wohnraum. „Die FDP möchte den Druck von den Bürgern nehmen“, so ein Einwohner: „Aber wieviele Menschen auf Norderney haben den Druck, Wohnungen zu finden oder Personal?“ Ein Vermieter einer Ferienwohnung äußerte, er fühle sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, weil er keinen Dauerwohnraum anbiete. Mit Ende des Tagesordnungspunktes leerten sich die Reihen der Zuschauersitze merklich.
Der Verwaltungsausschuss, der die Satzung ebenfalls behandelte, stimmte schließlich mit knapper Mehrheit für den Satzungsvorschlag der Stadt Norderney – ohne die durch den Bauausschuss empfohlene Ergänzung.
Verfasst von Dorothee Linke
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