Verkehrswege im Inselosten: Die Natur muss profitieren

Foto: Dorothee Linke

Beitrag vom Samstag, 10. Dezember 2022

Verkehrswege im Inselosten: Die Natur muss profitieren

Ein Gesamtkonzept für die Verkehrswege im Inselosten muss her, soviel ist klar, seit die Stadt Norderney vor rund einem Jahr mit Vertretern der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Aurich der Nationalparkverwaltung über eine Lösung für den Zuckerpad beraten hatte. Der Weg war im April durch den Landkreis für Radfahrer gesperrt worden, sodass Fahrradfahrer nun auf den Karl-Rieger-Weg ausweichen müssen. Viele ignorieren das Verbot jedoch und nutzen den Weg weiterhin als Radweg. Eine Verbreiterung des Weges könnte das Problem für die Straßenverkehrsbehörde lösen, scheiterte aber bisher an den geltenden Naturschutzbestimmungen. Die Nationalparkverwaltung hat aber in dem Gespräch für die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes für den Inselosten einen konstruktiven Prozess zugesagt, wenn dieses sich am Ende aus Naturschutzsicht günstig für das Gebiet auswirken würde. Daher engagierte die Stadt das Vareler Ingenieurbüro Roelcke und Schwerdhelm (IRS) für eine Verkehrsanalyse sowie den Landschaftsarchitekten Hans-Wilhelm Linders vom Leeraner Büro Ecoplan für die naturschutzfachliche Begleitung. Diese stellten die Ergebnisse ihrer Verkehrsanalyse und ihre Ideen für ein Lösungskonzept in einer gemeinsamen Verkehrs- und Umweltausschusssitzung vor.
Wer sich jedoch von diesem Termin ein fertiges Konzept erhofft hatte, für den war die Veranstaltung eher „ernüchternd“, wie es Bürgermeister Frank Ulrichs im Anschluss an die Präsentationen ausdrückte.

Zwar ergaben sich aus der Untersuchung „viele kleine Ansätze“, wie Prof. Rainer Schwerdhelm in einer umfassenden Präsentation erläuterte. Vor dem komplexen Hintergrund aus Verkehrsrecht, Naturschutzvorgaben und den Vorstellungen der Beteiligten entschieden sich die Verkehrsplaner aber dafür, zunächst die Ergebnisse aus der Bestandsanalyse den Ausschüssen vorzustellen und „von der Politik zu hören, was Phase ist, denn wir haben gemerkt, dass wir hier ein riesengroßes Fass aufmachen.“

Für die Analyse der Verkehrssituation hatten die Planer im August Verkehrszählungen an verschiedenen Knotenpunkten im Inselosten durchgeführt, Wegebreiten vermessen und besondere Situationen dokumentiert. Behörden, Beteiligte und Interessensvertreter wurden in Gesprächen miteinbezogen, darunter Verkehrsunternehmen, Fahrradverleiher und Polizei. Zudem beteiligten sich 816 Menschen an einer Online-Umfrage, davon 427 Insulaner.

Was daraus ersichtlich wurde: Wenn es ein Gesamtkonzept gibt, müsste es wohl eine Verbreiterung des Zuckerpads beinhalten, damit Radfahrer ihn wieder nutzen können. Bei der Verkehrszählung der Planer am 6. August nutzten innerhalb von acht Stunden 114 Fußgänger, aber auch 1.111 Radfahrer den Zuckerpad. Auch in den Gesprächen und in der Online-Befragung wurde der Wunsch nach einer Öffnung des Weges für den Radverkehr deutlich formuliert. Doch auch die meisten anderen Wege, auf denen sich Radfahrer durch die Dünen bewegen, sind rechtlich gesehen zu schmal und müssten verbreitert werden, so das Ergebnis der Untersuchung.

„Schneiden durch das Tafelsilber“

Das Problem: Für jede weitere Versiegelung müsste nach dem Naturschutzgesetz ein Ausgleich geleistet und dieselbe Fläche entsiegelt werden.

„Noch komplizierter wird es, wenn man auf die Biotope guckt“, führte Landschaftsarchitekt Linders aus: „Rund um den Zuckerpad haben wir eine ganze Menge Biotope mit besonderer Bedeutung. Wir reden da also von einem sehr hohen Konfliktpotenzial, denn wir würden hier mitten durch das Tafelsilber des Nationalparks einige tausend Quadratmeter herausschneiden.“ Grau- und Braundünen seien durch die FFH-Richtlinie als prioritäre Lebensraumtypen noch einmal besonders hervorgehoben. „Darum ist es schwierig, hier überhaupt weiterzukommen. Das hängt schwer über dieser ganzen Planung“, so Linders. Die Bestimmung der Bereiche sei allerdings auch eine Frage des Detaillierungsgrades, was die Streifen entlang der Wege angeht: „Da muss man ganz genau hinschauen, wo welches Biotop zu finden ist. Da ist, glaube ich, noch eine ganze Menge Spielraum.“

Entsiegeln oder ganz aufgeben

Für die Politik heißt es nun abzuwägen, welche Wege künftig als Radwege dienen sollen und welche dafür im Gegenzug zu Fußwegen zurückgebaut oder sogar ganz aufgegeben werden müssen, so das Fazit der Planer: „Eine Verbreiterung des Zuckerpads ist nur umsetzbar, wenn dafür an anderer Stelle ganz gewaltig ausgeglichen wird.“ Da der KFZ-Verkehr laut der Verkehrszählung zum ostheller hin immer weiter abnimmt, brachten die Verkehrsplaner zudem die Einrichtung einer Fahrradstraße zwischen Leuchtturm und Ostheller ins Spiel. Insbesondere am Leuchtturm bestehe schon ein Nadelöhr, an dem die Radfahrer auf der Straße fahren müssten, führte Schwerdhelm aus. Denkbar sei auch, den Fahrradverkehr generell auf die Straße zu bringen, was aber wiederum Auswirkungen auf den motorisierten Verkehr hätte, etwa durch längere Fahrzeiten für den Busverkehr. „Irgendeine Kröte werden Sie schlucken müssen“, so Schwerdhelm: „keine Sorge, es sind genug da.“

„Können nichts falsch machen“

Optimistischer formulierte Bauamtsleiter Frank Meemken sein Fazit: „Als Fachbereich Bauen und Umwelt der Stadt haben wir ein Faible für bauliche Lösungen und ich freue mich auch, wenn wir Umweltschutzprojekte vorantreiben können. Wir haben doch hier die wunderbare Aufgabe, beides miteinander verbinden zu können. Wir müssen das Radwegesystem so optimieren, dass die Umwelt am Ende profitiert, und wie wir heraushören, möchten die Nutzer vor allem das Naturempfinden. Von da her können wir im Grunde gar nichts falsch machen. Wir wollten nur ein gewisses Gefühl dafür kriegen, wo sind die Knackpunkte, damit wir mit den Fachbehörden diskutieren können, wohin es gehen kann. Wir brauchen jetzt eine Meinung der politischen Vertreter.“ Bis Anfang 2023 sollen nun die Fraktionen das Thema diskutieren und dem Fachbereich dazu Rückmeldung geben.

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