Beitrag vom Mittwoch, 28. Oktober 2020

Lebensraumkonzept: Pilotprojekt unter Beobachtung

„Wir hatten noch nie so einen intensiven Beteiligungsprozess gehabt wie bei Ihnen“, zeigte sich Alexander Seiz von der Agentur Kohl und Partner begeistert und präsentierte am Montagabend auf der Ratssitzung das Ergebnis des Lebensraumkonzeptes (LRK). Am 29. Oktober 2019 begann mit der Auftaktveranstaltung das Projekt LRK, zu der seinerzeit rund 250 Norderneyerinnen und Norderneyer kamen und ihre Ideen und Wünsche einbrachten. Zur Ratssitzung am Montag konnten nun pandemiebedingt nur 50 Zuschauer zugelassen werden, bedauerte Bürgermeister Frank Ulrichs. „Gerne hätte ich den Saal heute Abend richtig voll gesehen.“

In den vergangenen Monaten hat die Agentur eng mit der Stadt, dem Staatsbad, der Politik sowie den Unternehmern und Bürgern der Insel zusammengearbeitet, viele Sitzungen und Workshops abgehalten, eine Onlineumfrage geschaltet, die vor dem Hintergrund der Pandemie im Juni noch einmal wiederholt wurde, und schlussendlich ein fertiges Konzept erstellt. 1.372 Rückmeldungen habe es alleine bei der Onlineabfrage gegeben und über 250 Insulaner hätten sich intensiv in den Gesprächen und Workshops engagiert, zählte Seiz auf.

Sieben Handlungsfelder

In sieben thematischen Handlungsfeldern – Wir Norderneyer, Soziale Infrastruktur, Tourismus, Wohnraum, Verkehr, Unternehmer & Mitarbeiter, Natur & Nachhaltigkeit – wurden jeweils konkrete Leitsätze, Ziele und Projekte definiert. Zudem werden konkrete Beispiele aufgezählt, die verwirklicht werden sollen. „Obwohl viele Forderungen und Verbesserungsvorschläge zur Sprache kamen, scheinen die Norderneyer überwiegend zufrieden zu sein mit der Lebensqualität auf ihrer Insel“, so der Eindruck der Agenturmitarbeiter.

Wohnraum und Verkehr

Ein großes und zentrales Problem stellte sich in den Handlungsfeldern Verkehr und Wohnraum dar. Das hohe Verkehrsaufkommen durch Autos, aber auch Radfahrer, wurde größtenteils als Belastung gesehen. Man wolle weniger Verkehr, mehr Kontrollen und mehr Rücksicht aufeinander. Zudem soll es eine Optimierung der Anreisen geben so-wie alternative und nachhaltige Mobilitätsangebote entwickelt werden. In Sachen Wohnraum steht die Kontrolle und Limitierung von Ferien- und Zweitwohnungen ganz oben auf der Liste. Außerdem sollen innovative Wohnkonzepte geprüft und für den privaten Wohnungsmarkt nachverdichtet werden, das heißt freistehende Flächen genutzt werden, so nur einige Ideen im Ergebnispapier (weiteren Projekte siehe Kasten).

Für und Wider

„Das war viel Input“, bedankte sich Ratsvorsitzender Manfred Hahnen (FDP) für die Präsentation und leitete damit die anschließende Diskussion ein. Hans Terfehr (SPD) hob in seinem Statement hervor, dass es sich bei den herausgearbeiteten Projekten um Bereiche handele, in denen der größte Handlungsbedarf bestehe. Dennoch käme der Kulturbereich zu kurz, bemängelte Terfehr, was Hayo Moroni (FWN) eben-falls in seinem Statement noch deutlicher betonte. Henning Padberg (FDP) empfand die Beteiligung von 16 Prozent der Bevölkerung als bemerkenswert. Seine Fraktion habe den Eindruck, dass es eine „Minute vor Zwölf “ sei, was die touristische Entwicklung angehe und das Veränderungen dringend notwendig sei-en. Deswegen hätten sie gerne die restlichen 84 Prozent auch noch dabei, so Padberg. „Wir haben einen Auftrag als Politik“, ergänzte Silvia Selinger-Hugen (CDU) die Ausführungen von Padberg. Ihre Partei und auch die FDP würden sich bemühen, das voran-zubringen. Man müsse sich trauen, das sei der zentralste Punkt für ihn, betonte Jens Podein (FDP). Sonst würden sie in zehn Jahren immer noch hier sitzen und nichts sei passiert. Stefan Wehlage (Grüne) kritisierte das LRK, in dem er es ein Papier „von Touristikern entwickelt“ nannte. Zudem würden sich die Umsetzungsvorschläge im Papier mit der Politik widersprechen.

Der Rat beschäftige sich mit dem Neu-bau von Hotels und im Papier werde aber deutlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Belastungsgrenze der Insel als erreicht ansehe. Wenn der Rat das Konzept beschließe, bedeute dies auch einen Paradigmenwechsel für die Norderneyer Politik, so der Grünen-Ratsherr. „Im Fokus stehen die Einheimischen“, betonte der Bürgermeister. Die Stadt plane bis zum Ende diesen Jahres eine Koordinationsstelle einzurichten, die den Prozess steuert. Im Land Niedersachsen sei das LRK, das mit 100.000 Euro gefördert wurde, ein Pilotprojekt mit einer gewissen Vorbildwirkung. „Das Land schaut in diesen Tagen sehr genau auf uns“, weiß Ulrichs. Die Ratsmitglieder stimmten mit einer Gegenstimme (FWN) für das Konzept. Das 118-seitige Konzeptpapier ist auf der Seite stadt-norderney.de unter dem Menüpunkt Politik/Ratsinformation zu finden.

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