Beitrag vom Samstag, 23. März 2024
Debatte um die Satzung hat begonnen
Nach langer und kontroverser Diskussion hatte der Stadtrat am 21. November 2019 mit nur einer Enthaltung eine Zweckentfremdungssatzung für fünf Jahre auf den Weg gebracht. Das Gesetz erlaubt es den Kommunen anhand der Satzung die Zweckentfremdung von Wohnraum unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen und damit die Umwandlung von Dauerwohnraum in eine Ferienwohnung oder in Arbeitsräume abzulehnen.
In diesem Jahr muss die Politik entscheiden, ob man sie weiterhin als ein kommunales Instrument zur Sicherung des dringend notwendigen Dauerwohnraumes für Insulaner nutzen will. Umso wichtiger ist es für die Stadt ein Resümee zu ziehen, ob die vor viereinhalb Jahren beschlossene Zweckentfremdungssatzung zielsicher angewendet werden kann. Dazu ist eine politische Diskussion nötig, die in der nichtöffentlichen Bauausschusssitzung begonnen hat.
„Wir müssen gewachsene Strukturen auf der Insel beachten und dürfen nicht vergessen, dass wir hier vom Fremdenverkehr leben“, gibt Bürgermeister Frank Ulrichs im Gespräch mit dem Norderneyer Morgen zu bedenken und betont: „Dabei wird es um Einzelfälle gehen, aber auch um das Große und Ganze.“
Mit dem Beschluss über die Satzung betrat die Insel Neuland. Zu Beginn fehlten zunächst die personellen Ressourcen, um die Satzung anzuwenden. Seit 2022 hat sich das geändert und Norderney ist die einzige Kommune, die in dieser Form und mit einem umfangreichen personellen Aufwand eine Zweckentfremdungssatzung anwendet.
Wie besonders dieser Umstand allein ist, kommentiert die stellvertretende Bauamtsleiterin Anika Stute auf Nachfrage.
Denn schon jetzt melden sich regelmäßig andere Gemeinden und Kommunen von der Ostsee, aus Lüneburg und Göttingen bei der Stadt, um sich über die Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit zu informieren, erzählt sie. Zur Einordnung: Von den Ostfriesischen Inseln besitzen neben Norderney, Borkum, Juist, Baltrum und Spiekeroog eine Zweckentfremdungssatzung.
Bislang zählt Stute 70 Verfahren, in denen geprüft wird, ob aus Dauerwohnraum eine Ferienwohnung wird. 75 Prozent der Verfahren betreffen Bauanträge von festländischen Eigentümern und 25 Prozent von Insulanern.
Abgeschlossen werden konnten bislang 30 Zweckentfremdungsverfahren. Von diesen 30 konnte die Stadt zehnmal eine Genehmigung erteilen, musste aber bei 20 Wohnungen auf eine Rückführung zur Dauerwohnung bestehen und konnte diese 20 Wohnungen so für den lokalen Wohnungsmarkt erhalten, präzisiert Stute die Zahlen. Allerdings erfolgt die Prüfung auf Zweckentfremdung bislang nur parallel zum Bauantragsverfahren. Dabei lässt sich eines nicht wegdiskutieren, so der Bürgermeister: „Der Vorteil der Zweckentfremdungssatzung ist, im Gegensatz zu den bisherigen Instrumentarien, die wir haben, wie Bebauungspläne und Erhaltungssatzung, dass wir eine eigene Zuständigkeit besitzen. Vor Ort können wir die Situation besser einschätzen und nun viel kurzfristiger und effektiver agieren.“
Ulrichs berichtet aber auch von Beschwerden, wo man sich ungerecht behandelt fühlt und langjährige Nutzung infrage gestellt wird, aber „nach einer genauen Prüfung feststeht, das hättest du eigentlich nie gedurft.“
„Entweder ich habe mir auf die Fahne geschrieben, ich will hier Wohnraum langfristig sichern und den Norderneyern ihre Heimat erhalten, oder ich will es nicht so richtig.“ Mit der Zweckentfremdungssatzung habe die Stadt ein Instrument, um Wohnraum langfristig zu sichern. „Aber es darf auch nicht zu so unbilligen Härten führen, dass jemandem die Existenz zwischen den Fingern weg rinnt“, so der Bürgermeister. Aus seiner Sicht bedarf es einer Richtlinie, mit der ein Konsenz gefunden wird, wie mit der Härtefallregelung umzugehen ist und er betont: „Das darf keine Willkür sein. Man muss einen vernünftigen Maßstab finden, mit dem man in der Lage ist, alle gleichzubehandeln.“
Ulrichs ist zuversichtlich, dass Stadt und Politik im kommenden Herbst wissen, in welcher Form die Satzung weiter angewendet werden muss, und erklärt warum es ohne sie nicht geht: „Wenn wir die Instrumente, die uns der Gesetzgeber auf unseren Wunsch hin an die Hand gibt und die Zweckentfremdungssatzung war eine Initiative der Inseln, nicht nutzen und jetzt sagen, wir wenden die Satzung nicht mehr an, dann brauchen wir nicht zu glauben, dass wir beim Land und Bund Gehör für unsere Probleme finden. Das heißt, wir müssen sie nutzen. Das sind wir auch den Insulanern schuldig.“
Verfasst von Anja Pape
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