Karin Rass

Beitrag vom Mittwoch, 04. Januar 2017

Rass: „Es geht um das richtige Maß“

Mit der ersten Sitzung des neuen Stadtrates am 14. November endete die Amtszeit des alten Rates und damit auch die Ratskarriere von Karin Rass. 30 der vergangenen 35 Jahre hat die gebürtige Insulanerin im Stadtrat verbracht. Einmal setzte sie aus, um Zeit zu haben, ihren Lebensgefährten zu besuchen, der im Ausland arbeitete. Es sei, politisch gesehen, ihr anstrengendstes Jahr gewesen, sagt die Grünen-Politikerin. Zu wollen und nicht zu können, ist eigentlich nicht Karin Rass‘ Sache. Jetzt hat die 60-Jährige losgelassen.

1978, dem Jahr, in dem in Hofheim im Taunus ein gewisser Gerhard Schröder aus Hannover zum Bundesvorsitzendenden Jungsozialisten gewählt wurde, gründete sich auf Norderney die Grüne Liste Umweltschutz. Es war die Geburtsstunde der Norderneyer Grünen, einem der ältesten Ortsvereine in der Bundesrepublik überhaupt.

In einem Ordner bewahrt Karin Rass Zeugnisse aus dieser Zeit auf, alles gerettet bei zahlreichen Umzügen des Büros. „Was die alles wegschmeißen wollten“, lacht Karin Rass. Mit der Schreibmaschine getippte Flugblätter, natürlich auf Umweltpapier gedruckt, vieles mit der Hand gestaltet. So ging Politik Ende der 1970er Jahre. Die Forderungen auf den Flugblättern ähneln aber durchaus denen, die heute noch Themen der Grünen sind – allerdings längst nicht mehr nur der Grünen.

Überhaupt sei das Thema Verkehr eine „never ending Story“, sagt die ehemalige Ratsfrau. Und tatsächlich. Schon im Wahlkampf 1981 steht das Thema Verkehrspolitik ganz oben an. Gleich neben dem Thema Bauen und dem Endlosthema Zweit- und Ferienwohnungen. Anderes lässt heutzutage eher schmunzeln. Kaum vorstellbar, dass überhaupt mal gefordert werden musste, Glascontainer aufzustellen.

Und wer würde sich nicht die Augen reiben, wenn Grüne und SPD-Frauen heute in der Poststraße über den umweltschonenden Einsatz von Putzmitteln und die Gefahren von Chlorreinigern informieren würden. Haben sie aber gemacht.

Bei der Landtagswahl 1978 lag der Stimmenanteil im Landesdurchschnitt bei 3,9 Prozent. Auf Norderney bereits bei 7,7 Prozent. Die Zeit war reif. Mit 7,5 Prozent der Stimmen zogen die Norderneyer Grünen 1981 in den Rat der Stadt Norderney ein. Die ersten Abgeordneten hießen Karl-Heinz Knigge und Karin Rass, die damals gerade 25 Jahre alt war. Und Frauen in der Politik waren nicht alltäglich. Die ersten Briefe richteten sich noch an die „Ratsherrin“ Karin Rass.

Besonders die Auseinandersetzung mit den Sachthemen sei in den ersten Jahrzehnten spannend gewesen, erinnert sich Karin Rass. Der Bereich der Umwelttechniken sei noch neu gewesen. Die Grünen holten sich Experten, steuerten Fachwissen zu den Diskussionen auf der Insel bei – das nicht immer, aber oft auf offene Ohren stieß. So sei Klärschlammvererdung, damals ein Pilotprojekt, ursprünglich mal ein Thema der Grünen gewesen. Ähnlich gelte dies für die seit langem laufenden Blockheizkraftwerke der Stadtwerke.

„Oft war es so, dass die Grünen hier ein Thema angestupst haben, das Jahre später umgesetzt wurde. Das war und ist auch unsere Aufgabe“, sagt Karin Rass. So haben die Grünen viele Jahre für eine Zweitwohnungssteuer gekämpft. Rass: „Heute ist sie eine wichtige Stütze für den städtischen Haushalt.“

Auch den Kauf der ehemaligen Neue-Heimat-Häuser durch die Stadtwerke und die Ausgliederung in die Wohnungsgesellschaft geht auf eine Initiative der Grünen zurück. Heute werde gesagt, dass dies nicht stimme, sei aber wahr, betont die ehemalige Grünen Politikerin.

Besonders der verstorbene Kämmerer der Stadt, Ernst-Heinrich Müller, habe damals in der Verwaltung den Ball aufgefangen und dann die Umsetzung entscheidend beeinflusst, während andere noch gemeint hätten, dass das Unternehmen Unsinn sei. Trotz aller Auseinandersetzung, seien dies Höhepunkte gewesen, sagt die langjährige Ratsvertreterin. Und immer habe es bei der Stadt engagierte und motivierte Mitarbeiter in den Fachbereichen gegeben, etwa im Klärwerk, wenn es um Neues ging. Im Laufe der Jahre hat sich so ein Politikstil geformt, den Karin Rass als Maulwurfarbeit bezeichnet. Rass: „Ich habe irgendwann verstanden, dass man Geduld braucht und einen langen Atem.“

Dabei gerate jeder, der etwas anders machen wolle, in Kontakt mit etwas, was Karin Rass „Struktur“ nennt. Oft sei es nicht nur um Zahlen, Daten oder Fakten gegangen, sondern auch um Interessen. Auch der Ton sei mitunter rau gewesen. Das würden auch andere Ratsmitglieder erleben, so Karin Rass.

Besonders dankbar sei sie für das Vertrauen, dass ihr über die 35 Jahre aus der Inselbevölkerung entgegengebracht wurde. Überhaupt habe Norderney Glück, dass hier die Sozialgemeinde noch funktioniere. Dies zu erhalten, müsse das Ziel künftiger Politik sein. Und darin liege auch der Grund, warum die Grünen – und damit Karin Rass – immer wieder auf das Thema Baupolitik gesetzt hätten.

„Es kommen ganz viele, die hier Zweitwohnungen haben, für die ist Norderney die zweite Heimat. Das ist toll. Es geht um das richtige Maß“, betont Karin Rass. Darum sei es wichtig, sich von Modellen zu verabschieden, die nur dem Immobilienmarkt dienen. „Jetzt werden alle lachen“, sagt Rass, „aber kann man das ehemalige Namuth-Grundstück nicht zum Gärtnern nutzen? Wir brauchen etwas für die normalen, für die einfachen Leute.“

Zuletzt wirkte Karin Rass oft angegriffen in den Sitzungen. Heute schaut sie wieder versöhnlicher drein und kann auch über sich selbst lachen. 1981 hätte wohl niemand gedacht, dass eine Grünen-Frau mal stellvertretende Bürgermeisterin wird.

Karin Rass war des insgesamt 15 Jahre. Während der Krankheit des verstorbenen Bürgermeisters Ludwig Salverius auch. Karin Rass: „Das habe ich immer sehr gerne gemacht – für unsere Insel!“

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